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Praxistipp Literalvideo

aus: Dr. Dre ft. Snoop Dogg - Still D.R.E.
aus: Dr. Dre ft. Snoop Dogg - Still D.R.E.

Die Beliebtheit von Musikvideos ist unbestritten. Im Unterricht darf bei Medienprojekten mit Jugendlichen aber aus Urheberrechtsgründen kaum je mit Werken bekannter Künstlerinnen und Künstler gearbeitet werden.

Literalvideos bilden hier eine Ausnahme. 

Bei der Produktion eines Literalvideos wird genau hingeschaut und in eigene Worte gefasst, was zu sehen ist. Das schärft den Blick und fordert Schülerinnen und Schüler in ihrer sprachlichen Ausdrucksfähigkeit.

Gleichzeitig sammeln Jugendliche dabei vielfältige Projekterfahrungen, stärken überfachliche Kompetenzen und meistern digitale Herausforderungen.

Im Blogartikel steht, wie's geht und gelingt.

Literalvideo?

Ein Literalvideo ist eine Art «Neuinterpretation» eines Songs, bei dem der Fokus darauf liegt, was im Video zu sehen ist. 

Diese Beschreibung wird zusammen mit einer Instrumentalversion des Originals zur neuen Tonspur. 

Es geht also darum, genau hinzuschauen und das, was zu sehen ist, in Worte zu fassen. Der neue, beschreibende Text kann durch die Ersteller:innen  rhythmisch gesprochen, gerappt oder gesungen werden. 

 

Mit einer Durchführungszeit von 3-4 Lektionen eignen sich Literalvideos sehr gut für den Projektunterricht, können aber auch als integriertes M+I-Projekt in Deutsch oder Musik produziert werden.

SRF hat bereits 2017 Literalvideos erstellt und veröffentlicht. Diese breite Sammlung kann gut dazu dienen, die Begeisterung bei den Jugendlichen zu wecken.


Und das Urheberrecht?

Musikvideos gehören zu urheberrechtlich geschützten Werken. Will man diese für eigene Projekte verwenden und einem breiteren Publikum zeigen, muss man normalerweise dafür Gebühren bezahlen, selber Urheber sein oder sich mit dem Urheber einigen. 

 

Literalvideos gelten jedoch als eigene, in der Musikbranche akzeptierte Kunstform. Nicht selten tragen besonders gelungene Literalvideos sogar zur Bekanntmachung des Originals zusätzlich bei.

Wichtig bleibt allerdings, dass ein Literalvideo als solches bezeichnet wird und im Titel der ursprüngliche Urheber und Songtitel genannt werden. 

In aller Regel finden auch Urheber und Interpreten Gefallen an den Neuumsetzungen und anerkennen die Kreativität der meist jugendlichen Produzierenden. Auf diese Weise wird es möglich, selber im Unterricht Literalvideos zu erstellen und dem Originalvideo eine weitere Facette hinzuzufügen.

«Grandios umgesetzt - den Song hätte man auch auf diese Art veröffentlichen können»

Luca Hänni über das Literalvideo zu seinem Song «Set the world on fire».

Bild aus Video "Shape of you" von Ed Sheeran


Und wozu?

  • Das Arbeiten mit Original-Musikvideos von Lieblingskünstler:innen ist motivierend.
  • Der inhaltlichen Interpretation von Musikvideos wird grosse Aufmerksamkeit geschenkt, die künstlerische Leistung wird von den Lernenden wahrgenommen. Dies macht Jugendliche auch empfänglicher für die Anliegen der Urheberschaft und das Urheberrecht.
  • Lernende können sich mit den Inhalten von Text und Bild bei einem Musikvideo auseinandersetzen und lernen, diese zu vergleichen und zu verstehen, was die Kunstschaffenden ausdrücken wollen. Wird im Bild immer das transportiert, was im Songtext steht?
  • Die Arbeit verlangt Ausdauer, Kreativität und Genauigkeit, um ein gutes Resultat zu erzielen. 
  • SuS lernen ein Anwendungsprogramm aus dem Bereich Filmbearbeitung besser kennen. Je nach Vorwissen können sie auch selber entscheiden, mit welchem Programm sie arbeiten möchten.
  • Die Arbeit bietet viel Differenzierungs-spielraum und kann SuS mit erweiterten Kenntnissen auch eine Plattform bieten, sich zu profilieren.

«Erst jetzt merke ich, wie schwierig es ist, einen Songtext zu schreiben. Darüber habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht.»

Schüler, 3. OS



Vorbereitung

Die Videos, die für das Projekt verwendet werden, müssen vorbereitet werden, denn es soll ja keine Original-Singstimme mehr zu hören sein, sondern nur noch eine Instrumental-Version.

Diese Vorbereitungsarbeit kann durch die  Lehrperson erfolgen oder auch von motivierten Schülerinnen und Schülern, die bereits über die nötigen Anwendungskompetenzen verfügen.

Bild aus Video "It Ain't Me" von Kygo, Selena Gomez

  1.  Musikvideo finden, von dem es auch eine Instrumental-Version gibt.
  2. Beides z.B. von YouTube downloaden beispielsweise mit diesem Programm .
  3. Original-Video in ein Filmschnittprogramm einfügen und die Audiospur löschen.
  4. Anstelle dessen die Instrumental-Version des Songs als .mp3 in die leere Audiospur passgenau einfügen. Das ist manchmal etwas tricky, da diese nicht immer gleich lang ist wie das Video.
  5. Diese "Rohversion" als .mp4 abspeichern. Sie ist die Basis für das Literalvideo. 

«Mir hat das Projekt gefallen. Aber es war nicht einfach, das Video so zu beschreiben, dass es auch verständlich ist und der Text auf dem Bild Platz hat.»

Schüler, 3. OS

Entscheidend für das Gelingen des Projektes ist die genaue Definition, was ein Literalvideo ist. Sonst werden Lernende schnell einfach irgend einen Text zum Video erfinden. Sie sollen aber beschreiben, was im Video zu sehen ist. Das ist gar nicht so einfach...

Idealerweise dürfen sich die Lernenden vor der eigenen Umsetzung einige fertige Literalvideos ansehen. 



Editierbare Anleitung

Folgendes Arbeitsblatt kann für das Projekt verwendet und mit eigenen Angaben (Speicherort etc.) ergänzt werden.

Die Bewertungskriterien sind als Vorschlag zu verstehen und sollten mit den Lernenden im Voraus vereinbart und besprochen werden.

Download
Editierbare Anleitung
CC-BY-NC-SA
LiteralVideo - Anleitung 2021.docx
Microsoft Word Dokument 222.6 KB

«Ehrlich gesagt hatte ich etwas Skrupel, den Originaltext zu entfernen, weil ich nicht sicher bin, ob das dem Künstler gefällt.

Schüler, 3. OS

Bild aus Video "Kein Wort" von Loredana



Knackpunkte, Tipps und Tricks

Der Auftrag ist zwar von den Lernenden schnell verstanden, dennoch können einige Hürden bei der Projektumsetzung auftauchen. Oft sind es aber nicht technische Schwierigkeiten..

«Zunächst fand ich es unangenehm, meine eigene Stimme zu hören. Aber mit der Zeit gewöhnte ich mich daran und ich fand es nicht mehr so schlimm.»

Schülerin, 3. OS

Da viele Jugendliche auch privat mit Videoschnittprogrammen arbeiten, ist es sinnvoll, die Wahl des Videoschnittprogrammes grundsätzlich freizustellen. Schwächere Jugendliche erhalten zusätzliche Unterstützung durch "Expert:innen" innerhalb der Klasse oder eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.

«Einige Stellen musste ich sicher 20mal neu einsprechen, bis ich zufrieden war.»

Schülerin, 3. OS

Ein Musikvideo in voller Länge in ein Literalvideo umzuwandeln, ist sehr aufwändig. Es hat sich bewährt, die Jugendlichen eine zusammenhängende Stelle auswählen zu lassen, die etwa 1 Minute dauert und an der sie viele Möglichkeiten erkennen, einen eigenen, beschreibenden Text zu erfinden.

 

Wird mit einem Windowsgerät (z.B. Schülerlaptop) gearbeitet, ist MovieMaker weiterhin eine gute Programmwahl und besonders für Anfängerinnen und Anfänger bestens geeignet.

Es lohnt sich, bei der Gruppeneinteilung geschickt vorzugehen und Expertinnen und Experten der Klasse als zusätzliche Unterstützung für Schwächere einzusetzen. 

Als grösste Herausforderungen nannten die Jugendlichen...

  • das Wählen passender Texte
  • das korrekte Platzieren der Wörter zum Bild
  • das fehlerfreie, schnelle und rhythmische Sprechen
  • den Ehrgeiz, es möglichst genau und gut hinzukriegen - und gleichzeitig zeitlich eingeschränkt zu sein
  • einen ruhigen Platz für die Aufnahme zu finden

Am iPad/iPhone bietet sich iMovie an, das besonders benutzerfreundlich und simpel ist und erst noch mehrere Audiospuren untereinander erstellen kann.

Weitere Handy-Apps zur Videobearbeitung sind InShot oder CapCut, die beide Gratisversionen zur Verfügung stellen und auch mit Android-Handys nutzbar sind .

Es kann durchaus Teil des Projektes sein, sich das Knowhow des Programmes selber anzueignen, denn es werden nur wenige Funktionen benötigt.



Ergebnispräsentation und Erkenntnisse

Die fertigen Ergebnisse werden innerhalb der Klasse präsentiert und aufgrund der vorher vereinbarten Kriterien auch von den Peers bewertet.

Die Schülerinnen und Schüler tauschen sich darüber aus, was besonders gelungen ist und welche Knackpunkte es zu überwinden gab. 

 

Im Anschluss vergleichen die Jugendlichen ihren Text mit dem Original und diskutieren Unterschiede und die Botschaft des Songs. Vielen Lernenden wurde bewusst, wie viel Arbeit hinter so einem Originalvideo steckt.

Bild aus Video "Lieblingsmensch" von Namika

Der «Wert» eines Songs, den viele irgendwo gratis herunterladen und anhören, wurde dadurch erlebbar gemacht.



Gelingensfaktoren und Chancen

Bild aus Video "Lieblingsmensch" von Namika

Neben der Kreativität beim Erfinden von Texten sind Ausdauer, Genauigkeit und Konzentration bei der Aufnahme die wichtigsten Gelingensfaktoren für tolle Literalvideos.

 

Ausserdem braucht es möglichst ruhige Aufnahmestationen mit Headsets, damit keine störenden Hintergrundgeräusche zu hören sind.

 

Das Projekt bietet zusätzlich die Chance, sich mit den Originaltexten von Videos auseinanderzusetzen und sich darüber Gedanken zu machen, was die Künstlerin/den Künstler bewogen hat, diese Bilder zum Songtext zu wählen. Dieses Zurückfinden zum Text, zur Geschichte, die im Originalvideo erzählt wird, kann den Blick auf literale Texte und künstlerisches Schaffen erweitern und weitere Türen öffnen.



Bezug zum MI-Lehrplan und Fazit

Schülerinnen und Schüler...

Literalvideos zu erstellen ist eine kreative, lustvolle Möglichkeit, sich mit Urheberrechten und künstlerischer Interpretation auseinanderzusetzen und dabei doch mit beliebten und bekannten Musikvideos zu arbeiten. Fast nebenbei werden Anwendungskompetenzen und Ausdauer trainiert. Die Umsetzung kann im Projektunterricht oder in Fächerkombinationen (De, Musik, M+I) erfolgen.


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